Eng­pass bei ADHS-Wirkstoff Atomoxetin: Qualitäts­mängel führen zu Produktions­stopp

Ein neuer Eng­pass bei ADHS-Medika­menten stellt Betrof­fene und Gesundheits­personal vor Heraus­forderungen: Dieses Mal betrifft es den Wirk­stoff Atomoxetin. Aufgrund von Qualitäts­mängeln in der Produktion und dem damit ver­bundenen Rück­ruf von Chargen ist ein erheblicher Liefer­ausfall zu ver­zeichnen. Angesichts der Markt­stellung des Herstel­lers, der rund 80 % des Markt­volu­mens ab­deckt, wird die Situation besonders kritisch. Alternativen stehen zwar zur Verfügung, sind jedoch nicht ohne Ein­schränkungen.

Im August 2024 wurden erneut Liefer­eng­pässe bei ADHS-Medika­menten bekannt, diesmal betrifft es den Wirk­stoff Atomoxetin. Die Ursache für den Eng­pass liegt in erheb­lichen Qualitäts­mängeln, die bei der Produktion in einem Werk in Griechen­land fest­ge­stellt wurden. Diese Mängel um­fassten Schwankungen im Wirk­stoff­gehalt, der durch­schnittlichen Masse der Kapseln sowie der Gleich­förmig­keit der Masse. Als Konsequenz mussten betroffene Chargen teil­weise zurück­ge­rufen werden.

Das betroffene Produktions­werk in Griechen­land wurde um­gehend geschlossen, um eine gründ­liche Unter­suchung der Ursachen für diese Qualitäts­schwankungen zu ermöglichen. Der Hersteller arbeitet derzeit an einer neuen Herstellungs­linie, um die Produktion wieder aufzu­nehmen. Da der Hersteller rund 80 % des Markt­volumens für Atomoxetin ab­deckt, hat dieser Produktions­aus­fall weit­reichende Konse­quenzen für die Ver­sorgungs­lage. Der Hersteller gibt an, dass der Liefer­engpass voraus­sichtlich bis Dezember 2024 an­dauern wird, eine Ver­längerung ist nicht ausge­schlossen.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psycho­therapie, Psycho­somatik und Nerven­heilkunde (DGPPN) sowie die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugend­psychiatrie, Psycho­somatik und Psycho­therapie (DGKJP) raten Betroffenen, sich mit der behandelnden Arzt­praxis in Verbindung zu setzen, um alter­native Behandlungs­möglichkeiten zu besprechen. Zu den empfohlenen Alter­nativen zählen Methyl­phenidat, Lisdexam­fetamin, Dexam­fetamin und Guanfacin, wobei die letzten beiden nicht für Erwachsene zuge­lassen sind. Allerdings ist auch Methylphenidat, je nach Hersteller, in der Liefer­eng­pass­liste des Bundes­instituts für Arznei­mittel und Medizin­produkte (BfArM) aufge­führt.

Ein weiteres Problem ergibt sich durch den Wirk­mechanismus von Atomoxetin, das als selektiver Noradrenalin-Wieder­auf­nahme­hemmer wirkt. Im Gegen­satz dazu sind die genannten Alter­nativen (bis auf Guanfacin) Psycho­stimulanzien, die potenziell eine bestehende Angst­störung ver­schlimmern können. Dies stellt eine besondere Heraus­forderung für die klinische Entscheidungs­findung dar, insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die komorbid an Angst­störungen leiden.

Trotz der Produktions­mängel und der damit verbundenen Rück­rufe gibt es bisher keine Berichte über gesund­heitliche Folgen oder uner­wünschte Arznei­mittel­wirkungen bei den bereits ausge­gebenen Chargen von Atomoxetin. Dennoch bleibt die Situation ange­spannt, da eine zeit­nahe Wieder­auf­nahme der Produktion nicht sicher gewähr­leistet werden kann.1,2
 


1 Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Lieferengpass bei atomoxetinhaltigen Arzneimitteln. Online verfügbar unter: https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/Lieferengpaesse/atomoxetin.html
2 Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker: 33/24 Information der Institutionen und Behörden: BfArM: Lieferengpass bei Atomoxetin-haltigen Arzneimitteln aufgrund von Qualitätsmängeln: Empfehlungen der Fachgesellschaften veröffentlicht. Online verfügbar unter: https://www.abda.de/fuer-apotheker/arzneimittelkommission/amk-nachrichten/detail/33-24-information-der-institutionen-und-behoerden-bfarm-lieferengpass-bei-atomoxetin-haltigen-arzneimitteln-aufgrund-von-qualitaetsmaengeln-empfehlungen-der-fachgesellschaften-veroeffentlicht/

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