Aciclovir und Co. bald verschreibungspflichtig? EU-Richtlinienentwurf erwägt Umdenken bei antimikrobiellen Mitteln

Ciclopirox und Aciclovir – diese zwei Mittel und viele mehr dürfen bald ausschließlich nach Rezeptvorlage abgegeben werden, zumindest, wenn es nach dem neuen Gesetzgebungspaket zur Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechtes geht. Demnach soll unter anderem die zunehmende Resistenzentwicklung von Mikroorganismen in den Griff bekommen werden – mit zum Teil fragwürdigen Methoden.

In Deutschland tragen nach Schätzungen etwa 60–90 % der Bevölkerung das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) in sich. Bei 20–40 % dieser Personen tritt regelmäßig ein manifester Herpes labialis in Erscheinung. Meistens kommt es zu 1–2 Ausbrüchen pro Jahr, 5–10 % der Betroffenen erleiden allerdings mehr als 5 Ausbrüche pro Jahr. Als gängige Therapie haben sich verschreibungsfreie Antiherpetika wie Aciclovir oder Penciclovir etabliert. Etwa 25 % der Weltbevölkerung leiden an Dermatomykosen oder Onychomykosen, 75 % aller Frauen erleiden mindestens 1-mal im Leben eine Vaginalmykose. Auch hier können sich Betroffene dank OTC-Präparaten wie Ciclopirox oder Clotrimazol selbst helfen.

Das könnte sich bald ändern, denn: Die Europäische Kommission möchte alle Präparate mit direkter Wirkung zur Behandlung oder Prävention von Infektionskrankheiten (Virostatika, Antibiotika und Antimykotika) unter die Verschreibungspflicht stellen. Das Ziel? Resistenzen entgegenwirken. Demnach kann nicht fachgerechter Einsatz der Präparate die Resistenzentwicklung fördern.

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) steht dieser Aussage zwiegespalten gegenüber.1 Die Resistenzentwicklung resultierend aus unsachgemäßer Antibiotikabehandlung ist ein ernsthaftes Problem und bedarf weiterer Überarbeitung. Jedoch stehen verschreibungsfreie Aciclovir-haltige Salben zur Herpesbehandlung bereits seit 1992 zur Verfügung, also seit über 30 Jahren. Eine Resistenzentwicklung konnte bisher nicht beobachtet werden. Ähnlich steht es um Antimykotika. Econazol zum Beispiel wurde bereits 1978 aus der Verschreibungspflicht genommen. Auch bei den antimykotisch wirkenden Dermatika konnte keine Resistenzentwicklung festgestellt werden.

Vielmehr ist zu befürchten, dass eine entsprechende Regelung nicht nur das Gesundheitssystem erheblich belasten würde – Betroffene müssten stets den Hausarzt aufsuchen –, auch die Behandlungsqualität könnte stark nachlassen, da sowohl Pilzinfektionen, aber vor allem auch Herpesausbrüche zügig behandelt werden sollten. Für einen Behandlungserfolg sollten 48 Stunden nach Auftreten erster Läsionen nicht überschritten werden – schwierig, wenn Patienten vorher ein Rezept benötigen.

1 Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V.: Stellungnahme 7. Juni 2023. Online verfügbar unter: https://www.bah-bonn.de/redakteur_filesystem/user_upload/20230607_BAH_Stellungnahme_Revision_der_EU-Arzneimittelgesetzgebung.pdf

Adobe.stock.com - lryna