Unwirtschaftliche Kreon-Mehrfachverordnung

Ein Patient reichte uns gestern folgendes Rezept zulasten der AOK Bayern ein:

10 x ! Kreon 25000 100 Stück mit Aut-idem-Kreuz
10 x ! Kreon 25000 50 Stück mit Aut-idem-Kreuz
10 x ! Kreon 25000 200 Stück mit Aut-idem-Kreuz

Wie viele Packungen dürfen wir überhaupt und in welcher Packungsgröße abgeben, ohne uns einer Retax-Gefahr auszusetzen?

Antwort:

Um zu entscheiden, ob eine verordnete Anzahl von Packungen erstattet werden kann oder nicht, sollte die Apotheke das Arzneimittel zunächst in die Packungsgrößenverordnung einordnen. Kreon wird dabei als Enzympräparat (für Erwachsene ist Kreon bedingt erstattungsfähig) wie folgt eingeteilt:

Die größte Messzahl Nmax ist demnach 200 aus dem N3-Bereich.

Im Rahmenvertrag steht Folgendes zu Mengen oberhalb der größten Messzahl:

6 (3) Rahmenvertrag

„Überschreitet die nach Stückzahl verordnete Menge die größte für das Fertigarzneimittel festgelegte Messzahl, ist nur die nach der geltenden Packungsgrößenverordnung aufgrund der Messzahl bestimmte größte Packung oder ein Vielfaches dieser Packung, jedoch nicht mehr als die verordnete Menge abzugeben. Ein Vielfaches der größten Packung darf nur abgegeben werden, soweit der Vertragsarzt durch einen besonderen Vermerk auf die Abgabe der verordneten Menge hingewiesen hat.“

Im Grunde dürfte man daher nur vielfache Mengen der 200er-N3-Packung abgeben (ein besonderer Vermerk ist hier in Form von „!“ vorhanden).

Desweiteren ist die Apotheke angehalten, möglichst wirtschaftlich zu stückeln. Es gilt:

12 (1) Wirtschaftlichkeitsgebot (SGB V)

„Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“

Die Abgabe von jeweils 10 x die 50er-, 100er- und 200er-Packung stellt allerdings nicht die wirtschaftlichste Variante dar. Daher sollte im vorliegenden Fall unbedingt mit dem Arzt Rücksprache gehalten werden, ob es einen besonderen Grund für die unwirtschaftliche Verordnungsweise gibt.

Evtl. ist der Arzt ja bereit, das Rezept zu ändern bzw. ein neues über eine vielfache Menge der 200er-Packung auszustellen.

Ansonsten, sollte der Arzt auf der Abgabe wie ursprünglich verordnet bestehen, empfehlen wir das Ergebnis der Rücksprache sowie den Grund für die spezielle Verordnungsmenge und -aufteilung auf dem Rezept samt Datum und Kürzel zu dokumentieren. Es ist nämlich durchaus möglich, dass die Krankenkasse die unwirtschaftliche Mengenabgabe erst gar nicht beanstandet. Dazu gibt es bereits zwei Urteile:

1. BSG, Urteil vom 3. August 2006 – B 3 KR 7/05 R:

Hat der Arzt bewusst eine bestimmte Menge von im Handel befindlichen Packungen verordnet, so besteht ggf. die Möglichkeit, die Verordnung genau so abzugeben, denn § 6 bezieht sich auf verordnete Mengen nach Stückzahl, wenn der Arzt eine unbestimmte Menge verordnet hat.

Der Arzt kann dabei durch einfache Zusätze auf dem Rezept erkennbar machen, dass er von den Stückelungsvorgaben oberhalb der größten Messzahl bewusst abweicht (wie hier durch das „!“) und damit die Abgabe einer von ihm genau bestimmten Medikamentenmenge bzw. Packungskonstellation wünscht. Dies sollte die Apotheke nach Rücksprache mit dem Arzt und Hinweis zusätzlich auf dem Rezept dokumentieren.

Durch diese Verfahrensweise wird garantiert, dass der Vertragsarzt weiterhin als „Schlüsselfigur“ der Arzneimittelversorgung für die Verordnung verantwortlich bleibt und jeweils das Medikament und die Dosierung bestimmt, welche er bei der diagnostizierten Krankheit als medizinisch notwendig erachtet (BSG, Urteil vom 3. August 2006 - B 3 KR 7/05 R).

2. Urteil des LSG Thüringen vom 25. August 2015, L 6 KR 690/12

Auszug aus dem Urteil des LSG Thüringen vom 25. August 2015, welches in einem ähnlichen Fall unwirtschaftlicher Stückelung gegen die Krankenkasse urteilte:

Die Ärzte haben vielmehr zahlenmäßig genau bestimmte Packungen […] verordnet. Diese Verordnungen sind eindeutig. Die verordnete Packung existiert auch; es bestand insoweit keine andere Möglichkeit der Erfüllung der vertragsärztlichen Verordnung für die Klägerin. Eine Verpflichtung, die nach bestimmten Packungen verordneten Arzneimittel in Stückzahlen umzurechnen und dann gegebenenfalls wirtschaftlichere Packungen abzugeben, lässt sich den genannten Regelungen nicht entnehmen.

Das Gericht sah im allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot somit keine Verpflichtung, die verordnete Gesamtmenge stets in wirtschaftlichere Packungen umzurechnen.

Stand: Oktober 2016

Anmerkung

Die Beant­wortung der Fragen erfolgt im Rahmen kollegialer Hilfe.
Trotz größter Sorg­falt können wir auf­grund der teils kompli­zierten Sach­ver­halte keine Haftung über­nehmen.

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