Gelten für den Wirkstoff Tretinoin auch besondere gesetzliche Vorgaben?
In unserer Apotheke kam die Frage auf, ob und wie wir Vesanoid 10 mg Weichkapseln 100 Stück mit dem Wirkstoff Tretinoin für eine Frau (57 Jahre) auf einem GKV-Rezept beliefern dürfen.
Gibt es hier generell gesetzliche Vorgaben bezüglich Rezeptgültigkeit, Bedarf etc.?
Antwort
In § 3b Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) werden nur die drei Wirkstoffe Acitretin, Alitretinoin oder Isotretinoin genannt:
3b AMVV
„(1) Die Höchstmenge der Verschreibungen von oral anzuwendenden Arzneimitteln, die die Wirkstoffe Acitretin, Alitretinoin oder Isotretinoin enthalten, darf für Frauen im gebärfähigen Alter je Verschreibung den Bedarf für 30 Tage nicht übersteigen.
(2) Verschreibungen von in Absatz 1 genannten Arzneimitteln sind für Frauen im gebärfähigen Alter bis zu sechs Tage nach dem Datum ihrer Ausfertigung gültig. Verschreibungen von in Absatz 1 genannten Arzneimitteln in elektronischer Form sind für Frauen im gebärfähigen Alter bis zu sechs Tage nach dem Datum ihrer qualifizierten elektronischen Signatur gültig.“
Wir gehen davon aus, dass die Vorgaben der AMVV nur für die drei genannten Wirkstoffe gelten. Auch folgender Auszug aus dem Rote-Hand-Brief legt das nahe:
Auszug Rote-Hand-Brief
„Teratogenes Risiko
Orale Retinoide (Acitretin, Alitretinoin, Bexaroten, Isotretinoin und Tretinoin) sind stark teratogen. Die Behandlung von Frauen im gebärfähigen Alter mit oralem Acitretin, Alitretinoin und Isotretinoin muss unter Einhaltung des Schwangerschaftsverhütungsprogramms erfolgen. Für Bexaroten und orales Tretinoin wird angenommen, dass die derzeit vorhandenen Maßnahmen vor dem Hintergrund der onkologischen Indikationen, der Betreuung durch Spezialisten in der Klinik und der Zielgruppe ausreichend sind und ein Schwangerschaftsverhütungsprogramm nicht erforderlich ist. Für orales Tretinoin ist in der onkologischen Indikation ein Einsatz bei klinischer Dringlichkeit einer Therapie auch bei Schwangeren zulässig.“
Vesanoid ist nur für die Indikation der Akuten Promyelozyten-Leukämie (APL) zugelassen (in Kombination mit Arsentrioxid oder Chemotherapie).
Nichtsdestotrotz müssen folgende Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden, siehe Auszug aus der Lauer-Taxe zu Vesanoid:
Auszug Lauer-Taxe
„Schwangerschaft/Stillzeit
Gebärfähigkeit:
Die Behandlung mit Tretinoin darf bei Frauen im gebärfähigen Alter nur durchgeführt werden, wenn alle im Folgenden aufgeführten Vorsichtsmaßnahmen beachtet wurden:
- Die Patientin wird von ihrem Arzt über die Risiken einer Schwangerschaft während und bis zu 1 Monat nach Beendigung der Tretinoin-Behandlung informiert.
- Sie ist einverstanden, die zwingend vorgeschriebenen Kontrazeptionsmaßnahmen zuverlässig durchzuführen. Es ist notwendig, dass jede Frau im gebärfähigen Alter, die einer Tretinoin-Behandlung unterzogen wird, eine zuverlässige Verhütungsmethode ohne Unterbrechung während und 1 Monat nach Beendigung der Tretinoin-Behandlung anwendet.
- Schwangerschaftstests müssen während der Therapie in monatlichen Abständen durchgeführt werden.
Schwangerschaft:
- Tretinoin ist teratogen. Tretinoin zählt zur Stoffklasse der Retinoide, für die teratogene Effekte in Menschen beobachtet wurden.
- Für die Behandlung von schwangeren Patienten mit Tretinoin liegen nur wenige Informationen vor. Es besteht jedoch ein sehr hohes Risiko schwerer Missbildungen des Fötus, vor allem bei Verwendung von Tretinoin im ersten Trimester.
- Das Arzneimittel darf nicht während der Schwangerschaft, im Besonderen im ersten Trimester, sowie bei Frauen verwendet werden, die keine Verhütung betreiben, es sei denn, der Zustand der Patientin (Schwere der Erkrankung, Notwendigkeit der Behandlung) macht eine Behandlung erforderlich.
- Muss das Arzneimittel zu Beginn der Schwangerschaft verabreicht werden, muss die Patientin auf die mögliche Teratogenität und auf die Gefahr schwerer Missbildungen für den Fötus hingewiesen werden.“
Bei allen anderen Tretinoin-haltigen Fertigarzneimitteln handelt es sich um topische Darreichungsformen.
Weiterführende Links:
Anmerkung
Die Beantwortung der Fragen erfolgt im Rahmen kollegialer Hilfe.
Trotz größter Sorgfalt können wir aufgrund der teils komplizierten Sachverhalte keine Haftung übernehmen.
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